Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
Biologische Station Soest

Der Einbaum aus der Lippe ist geborgen

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Spannende 14 Tage sind vergangen und ein mächtiger Eichenbaum aus der Lippeaue bekommt nach einer Zeit als Transportschiff eine neue Aufgabe, die eines Zeitzeugen aus dem Hochmittelalter. Das Schiffswrack aus der Lippe zwischen Herzfeld und Liesborn-Göttingen gibt Hinweise auf seine Bauweise, es zeigt Gebrauchsspuren und Reparaturstellen, die mit pflanzlichem Dichtmaterial verstemmt und mit metallischen Kalfatklammern fixiert worden sind. Vermutlich gab es damals eine Havarie und das Schiff sank auf die Lippesohle, wo es teilweise von Sand und Mergel bedeckt wurde. So geschützt haben sich einige Bauteile erstaunlich gut erhalten können. Jahrhunderte sind seither vergangen und es floss viel Wasser die Lippe hinunter. Nach der spektakulären Bergung am 18. November beginnt nun eine langwierige Konservierung, ein Zusammensetzen der Einzelteile und die Ergänzung fehlender Teile zu einer vollständigen Rekonstruktion. Die Forscher erhoffen sich Antworten auf viele Fragen zur Kulturgeschichte der Flussschiffahrt im 12. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens.

Rückblick: Bei einem Streckentauchgang im August 2019 suchten wir Wasserpflanzen und fanden „nebenbei“ aus dem Sand der Lippesohle herausragende Bohlen, die bei näherem Hinsehen eine Holzkonstruktion aus verschiedenen miteinander verbundenen Elementen darstellten. Ein loses Teilstück brachten wir zum Naturkundemuseum nach Münster. Nachdem die Archäologen dort anhand von Unterwasser-Fotos und -Filmsequenzen ein hohes Alter vermuteten, wurde das Holzstück zur genauen Datierung mittels eines Vergleichs typischer Jahresringabfolgen einbehalten. Es ergab sich ein Alter des Schiffes von etwa 870 Jahren. Aus dieser Zeit gibt es nur sehr wenige gut erhaltene Schiffsfunde in Nordwestdeutschland. Es wurde fortan als Sensationsfund eingeordnet.

Im Sommer 2020 traf ein Team von Archäologietauchern an der Lippe ein, die das Schiff unter Wasser genau begutachtet und vermessen haben. Sie konnten danach ihren Auftraggebern bei der Außenstelle des LWL in Olpe die Gesamtgröße und die genauen Lagerungsverhältnisse im Fluss beschreiben. Es wurde schon zu diesem Zeitpunkt eine beträchtliche Gefährdung des Fundes durch die Flussströmung vermutet. Wir haben in den folgenden Monaten noch dreimal das Schiff aufgesucht und konnten ebenfalls erkennen, dass Teile des Schiffes sich lösten und von der Strömung hinterspült worden waren.

Die Gelder für die Untersuchung, Bergung und dauerhaften Rekonstruktion des Fundes sind horrend, konnten aber schließlich vom Landschaftsverband Westfalen Lippe aufgebracht werden und so wurde das zu großen Teilen im Sohlsediment verborgene Schiff freigelegt, bevor es in einer spannenden Bergungsaktion aus dem Fluss geholt werden konnte. Dabei halfen mutige Landwirte aus der Umgebung, die ihre schwersten Radlader und Schlepper als Widerlager aufwenden mussten, um den über sieben Meter langen Schiffsrumpf die steile Lippeböschung hinauf zu befördern. Für den Laien erschreckend kam sogar die Motorsäge zum Einsatz, die den Einbaum zersägte. Nur auf diese Weise jedoch ist später eine gute Rekonstruktion möglich, versichern die Archäologen einhellig.

Nachdem an Land alle großen Teile provisorisch zusammengesetzt waren, wurde deutlich, dass eine gesamte Baumhälfte bzw. Rumpfseite noch fehlt und so werden wir uns vielleicht zusammen mit den Tauchern vom Bodensee im kommenden Jahr noch einmal auf die Suche begeben. Mag sein, es gelingt dann eine nahezu vollständige Wiederherstellung eines Flussschiffes aus einer längst vergangenen Epoche, in der die Lippe eine bedeutende Lebensader des Warentransport in Westfalen war. Wir freuen uns, dass das Wrack fachgerecht geborgen werden konnte und nicht zufällig bei späteren Renaturierungsarbeiten womöglich weniger behutsam zu Tage befördert worden wäre. Natürlich hoffen wir, dass unser Fund letztlich im dann umgestalteten und erweiterten Lippstädter Stadtmuseum besichtigt werden kann.

Luise Hauswirth und Peter Ferlemann

Siehe auch www.LWL.org, www.uwarc.de, wdr mediathek lokalzeit lippeboot