Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
Biologische Station Soest

Kiebitz

bearbeitet von Christian Härting

Kiebitze (Vanellus vanellus) sind typische Bewohner des Offenlandes. Anfang März kommen die Kiebitze aus ihren Überwinterungsgebieten in Südeuropa (v.a. Spanien und Frankreich) zurück ins Brutgebiet. Kiebitze sind Bodenbrüter und bebrüten ihr Gelege aus vier gut getarnten Eiern rund einen Monat. Die Kiebitzküken sind als Nestflüchter nach dem Schlupf schon weit entwickelt und weitestgehend selbstständig. Sie sind jedoch zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Die Liste an Nesträubern ist lang und reicht von Säugetieren wie Rotfuchs, Steinmarder und Wiesel bis hin zu Vögeln wie Mäusebussard und Graureiher. Räuber-Beute-Beziehungen sind ein elementarer Bestandteil eines funktionierenden Ökosystems. Das Ausrauben von einzelnen Eiern und Küken hat in stabilen Populationen keinen nennenswerten Einfluss auf die Gesamtpopulation. Der europaweit beobachtete Rückgang der Kiebitz Population lässt nicht durch den Einfluss von Nesträubern erklären! Die Kiebitze sind an gelegentliche Verluste angepasst: Beim Warnruf der Altvögel ducken sich die Küken sofort und werden so nahezu unsichtbar. Derweil versuchen die Eltern alles, was ihrem Nachwuchs gefährlich werden könnte, abzulenken und zu vertreiben. Besonders gut gelingt dies, wenn mehrere Altvögel zusammenarbeiten. Das Brüten in Kolonien erweist sich hierbei als großer Vorteil. Falls es doch zu einem Verlust kommt, können Kiebitze in der Regel noch eine neue Brut beginnen, ein sogenanntes Nachgelege.

Der Kiebitz bevorzugt als Lebensraum flache und offene Flächen mit niedrigwüchsiger und lückiger Vegetation. Ursprünglich waren dies feuchte Wiesen und Weiden. Hier fand er auch für sich und seine Küken genügend Nahrung – Insekten, Würmer und andere Wirbellose. Der Nahrungsreichtum solcher Wiesen und Weiden und eine hohe Dichte an Kiebitzen brachten dem Kiebitz einen hohen Bruterfolg. Im Zuge der allgemeinen Veränderungen in der Landnutzung Europas verschlechterte sich auch die Situation für den Kiebitz und andere Wiesenvögel: Feuchtwiesen wurden trockengelegt und werden heute häufig intensiv genutzt. Solche Flächen eigneten sich für den Kiebitz nicht mehr. Durch Intensivierung sind sie meist zu dicht und hoch aufgewachsen, die häufige Mahd stört das Brutgeschäft und auf den trockenen Böden finden die Tiere nicht mehr genug Nahrung. Durch diese Maßnahmen gingen die Bestände stark zurück. Nur in den wenigen speziell für Wiesenbrüter entwickelten und gemanagten Feuchtwiesen der Naturschutzgebiete Ahsewiesen und Stockheimer Bruch findet der Kiebitz noch optimale Bedingungen und schreitet hier in großer Anzahl und erfolgreich zur Brut.

Mit dem Verlust vieler Feuchtwiesen und –weiden siedelten viele Kiebitze auf Ackerstandorte um. Hier bevorzugen sie besonders im Frühjahr noch nicht bestellte Äcker (z.B. Schwarz- und Stoppelacker). Der vegetationsfreie Boden dieser Äcker ist zu Beginn der Brutzeit für den Kiebitz hoch attraktiv. Doch wenn im Frühjahr die Felder bestellt und bearbeitet werden, bedeutet dies regelmäßig den Totalverlust der Gelege. Zwar brüten Kiebitze dann erneut, doch auch beim zweiten Versuch ist der Erfolg nicht sicher. Durch den Einsatz von Herbiziden und Insektiziden ist zudem die Insektennahrung auf vielen Äckern knapp. Daher versuchen die Elternvögel oft, ihre Jungen auf benachbarte Wiesen zu führen - wenn es die in der Nachbarschaft noch gibt. Die Bewirtschaftung und Nahrungsknappheit verursachen also hohe Brutverluste. Der schlechte Bruterfolg sorgt langfristig für eine Bestandsabnahme, sowohl lokal als auch auf Landesebene.

Bestandsentwicklung im Kreis Soest

Die aktuellste kreisweite Erfassung der Kiebitze durch die ABU, die von zahlreichen Ehrenamtlichen unterstützt wurde, fand im Jahr 2019 statt. Kreisweit konnten nur noch 308 Paare gezählt werden. Bei der vorherigen Bestanderfassung im Jahr 2016 betrug der Bestand noch 455 Paare.  Die meisten Kiebitze brüteten 2019 im nördlichen Kreisgebiet. Die Reviere am Haarstrang wurden in den letzten Jahren fast vollständig aufgegeben.
Fast Dreiviertel der Reviere befinden sich auf Ackerflächen (62% auf unbearbeiteten Ackerflächen und 10% auf Wintergetreide). Erfreulicherweise brüten 20% des Bestandes im Grünland - meist in Naturschutzgebieten, im Jahr 2016 waren es 9%. In Brachen (z.B. als Greening oder Vertragsnaturschutz) schritten 8% zur Brut, in 2016 betrug der Anteil hier 1%. Im Rahmen der verstärkten Schutzbemühungen wurden in den letzten Jahren vermehrt Flächen für den Vertragsnaturschutz speziell für den Kiebitz eingeworben – es zeigt Wirkung!

Seit 1997 hat die ABU Zählungen der Brutpaare ehrenamtlich durchgeführt. Die Auswertung zeigt, dass der Bestand von 1997 bis 2019 um 72% zurückging. Während zunächst die Brutbestände am Haarstrang und Oberbörde stark rückläufig waren, sank seit 2005 auch die Anzahl der Brutpaare in der Unterbörde.

1972 erfassten Mitarbeiter der Westfälischen Ornithologen-Gesellschaft erstmals die Kiebitzverbreitung im Kreis Soest. Der Kreis wurde hierfür in ca. 700 gleichgroße Rechtecke, den sogenannten Minutenfeldern eingeteilt. Sie haben eine Fläche von je 2 km². Sie wurden daraufhin überprüft, ob Kiebitze dort brüten. Koordiniert durch die ABU wiederholten Ehrenamtliche diese Kartierung in den Jahren 1989, 1997, 2003, 2005, 2012, 2016 und 2019. Seit 1972 hat die Zahl der besetzten Minutenfelder innerhalb der in allen Jahren untersuchten Schnittmenge (400 Minutenfelder) von 298 (75%) im Jahr 1972/73 auf 80 (20 %) im Jahr 2016 abgenommen. Dies entspricht einem Rückgang um 73% und einer Fläche von 436 km². Mehr dazu finden Sie im ABU Info 2017  und in der Natürlich 2013.