Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
Biologische Station Soest

Zuchterfolge

Schon als die ersten Kreuzungstiere im Jahre 1998 auf die Welt kamen, waren wir sehr erfreut. Bereits die frühesten Taurusrinder waren deutlich größer und langbeiniger als typische Heckrinder, und hatten meist eine bessere Hornkrümmung. Nach nun etwa zwanzig Jahren Zucht verfügen wir über etliche Tiere, die dem Auerochsen in vielerlei Hinsicht optisch sehr nahe kommen. Es lässt sich sagen, dass wohl so gut wie alle mit Hausrindern erzielbare Auerochsenmerkmale in unserer Population vorhanden sind – nun ist es die Herausforderung, diese züchterisch zu vereinigen, zu stabilisieren und gleichzeitig die ungewollten Merkmale „wegzuzüchten“. Das Ziel, eine wirklich homogene auerochsen-artige Zuchtlinie zu erreichen, wird zwar noch einige Zeit in Anspruch nehmen, aber unsere gegenwärtigen Individuen zeigen uns, das wir auf dem richtigen Weg sind, und dass sich die Auswahl der Ausgangsrassen bewährt hat.

Nun zu den Zuchterfolgen im Detail.

Größe und Statur
Es ist, wie man sich vorstellen kann, nicht einfach, unsere Tiere zu vermessen. Daher liegen nur für wenige Individuen Messdaten vor. So erreichte unser erstes Heck x Sayaguesa-Kreuzungsstier Lucio eine Schulterhöhe von 160-165 Zentimetern und ein Gewicht von 1400 kg. Für zwei Kreuzungskühe wurden Widerristhöhen von jeweils 153 und 155 Zentimeter gemessen. Die meisten anderen Kühe bewegen sich ungefähr in derselben Größenklasse. Damit schlägt das Taurusrind die meisten Heckrinder um etwa 20 Zentimeter Schulterhöhe und bewegt sich in der Größenklasse wilder Auerochsen, auch wenn Giganten mit einer Schulterhöhe von 180 Zentimetern noch nicht aufgetreten sind. Wir sind mit der Größe unserer Taurusrinder sehr zufrieden.
Die meisten Taurusrinder sind von vergleichsweise schlanker, hochbeiniger Gestalt. Viele Tiere zeigen ein ur-artiges Verhältnis von Schulterhöhe zu Rumpflänge, während bei vielen Heckrindern die Beine im Vergleich zum Rumpf zu kurz geraten sind. Das Taurusrind hat auch zumeist einen weniger massig gebauten Körper, und oft zeigen die Bullen einen für Wildrinder typischen „Buckel“ im Schulterbereich, an dem kräftige Muskulatur ansetzt, die sie für Kämpfe mit Artgenossen oder Raubtiere benötigen. Dieser Buckel war beim Auerochsen stark ausgeprägt, daher ist es erfreulich, dass auch unsere Bullen dieses ursprüngliche Merkmal zeigen.
Der Bulle auf diesem Foto war zur Vermessung mit einem 2-Meter-Zollstock so freundlich kurz still zustehen.
Einige unserer Kühe haben eine Schulterhöhe von etwa 1,55 m bis 1,60m. Die etwas größeren Bullen erreichen etwa 1,65 bis 1,75m                                     

Der Schädelbau
Der Schädelbau unserer Taurusrinder ist zwar variabel, aber etliche Tiere zeigen die lange Schnauze, die beim Auerochsen typisch war. Bei vielen Rinderrassen, so auch bei Heckrindern, ist die Schnauze verkürzt – ein typisches Haustiermerkmal. Unsere Taurusrinder haben die lange, ur-artige Schnauze vor allem dem Einfluss der Rasse Sayaguesa zu verdanken.

Hornform und Horngröße
Die Hörner der Taurusrinder zeigen fast durchgehend in auerochsen-artiger Manier nach vorne. Bei den meisten Heckrindern stehen sie zu aufrecht – ein Fehler, der mit unseren südeuropäischen Rassen schnell zu beheben war. Bei einzelnen Kreuzungstieren entspricht die Hornkrümmung jener des Auerochsen sehr gut, wie etwa bei den Bullen Lamarck, Lucio (†) und Linnet, oder den Kühen Lambada und Lérida. Eine Herausforderung wird es sein, nach innen zeigende Hornspitzen, wie sie typisch für den Ur waren, in der Population fest zu verankern. Dieses Merkmal ist sogar unter den ursprünglichsten südlichen Rinderrassen eher eine Seltenheit. Taurusrinder unserer Zucht, die authentisch nach innen gekrümmte Hörner haben, verdanken sie zumeist unserer Sayaguesa-Kuh Doña Urraca.

Die Horngröße ist wie auch die Hornkrümmung variabel. Wir haben zwar sehr groß behornte Heckrinder aus dem Wildgehege Neandertal als Ausgangstiere verwendet, aber natürlich hat die Einkreuzung der sehr kleinhörnigen Chianinas sowie die ebenfalls teilweise eher bescheidene Horngröße von Sayaguesas zu meist eher mittelgroßen Hörnern bei den Kreuzungstieren geführt. Deshalb haben wir uns im Jahr 2015 entschieden, mit der Kuh Nadia aus der sehr groß behornten Zucht von Walter Frisch zum erstenmal seit 2011 wieder vorsichtig ein reinrassiges Heckrind zu verwenden, um einen Gewinn an Horngröße ohne gleichzeitig einen Rückschritt bei den bereits erreichten Zielen zu erringen. Unsere aktuellen Zuchtstiere zeigen durchgehend eine zufriedenstellende Horngröße. Unser Bulle Linnet hat eine Hornspannweite von gut 90 cm. Der in der Gegend gefundene 5000 Jahre alte Schädel weißt eine Hornspannweite von etwa 100 cm auf.

Farbe und Geschlechtsdimorphismus

Die Fellfarbe
Die Fellfarbe der meisten Taurusrinder entspricht der des Auerochsen: Bullen sind zumeist schwarz gefärbt, Kühe sind im Idealfall deutlich heller. Beide Geschlechter verfügen über das sogenannte Mehlmaul, sowie den für den Ur typischen Aalstrich entlang des Rückgrats. Allerdings hat das Taurusrind von Chianina und auch vom Heckrind aufhellende, teilweise rezessive Genvarianten geerbt, die sich in der Population immer wieder zeigen. Es ist daher Aufgabe der Selektion, diese abweichenden Farbvarianten, die sich in beige oder gräulich gefärbten Tieren äußern, aus dem Genpool zu tilgen. Gelegentlich zeigen einzelne Tiere kleine weiße Flecken in der Bauchgegend, die bei Hausrindern weit verbreitet sind und von jeder der Ausgangsrassen stammen können. Wir selektieren natürlich dagegen.
Ur-artige Bullen sollten schwarz, Kühe rotbraun gefärbt sein. Dieser Geschlechterunterschied ist oft, jedoch nicht immer vorhanden. Es ist damit züchterisch die Herausforderung, den farblichen Geschlechtsdimorphismus künftig zu intensivieren. Dies gilt auch für den Unterschied in der Größe zwischen Stier und Kuh. Vereinzelte schwarze Ur-Kühe sind jedoch durch zeitgenössische Quellen belegt, man muss schwarze Tauruskühe also nicht immer aussortieren.

Wamme und Euter
Großes Euter und lange Wamme sind Folgen der Domestikation und bei vielen Heckrindern zu sehen. Diese Merkmale bedeuten jedoch Wärmeverlust im Winter sowie ein zusätzliches Verletzungsrisiko für Wildtiere; Auerochsen hatten sehr kleine Euter und eine kurze Wamme. Es ist uns gelungen, bei den meisten Taurusrindern eine ebenfalls kurze Wamme zu erzielen. Vergrößerte Euter sind ein nahezu universelles Merkmal aller Hausrinder; die Euter unserer Kühe sind meist klein bis mittelgroß.

 

Im Verlauf der letzten 30 Jahre haben wir mehrere Hundert mehr oder weniger auerochsen-ähnliche Taurus-Rinder gehalten und mit ihnen gezüchtet. Wie immer bei einer Zucht, sind viele Tiere uninteressant und werden dann an andere Züchter verkauft (die mittelguten) oder geschlachtet (die hässlichen). Aus der Rinderschar ragen aber einige Individuen heraus, die aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Charakters unvergessen bleiben. Die folgende Auflistung dieser Tiere zeigt auch ein wenig, welche Eigenschaften uns bei der Zucht wichtig sind.

Lucio
Lucio wurde am 22. Februar 1998 als Sohn des Heckbullen Nestor und der Sayaguesa-Kuh Doña Urraca geboren und war damit unser erstes Kreuzungskalb dieser beiden Rassen. Er zeichnete sich vor allem durch seine aurochsen-artig nach innen gekrümmten Hörner sowie die kräftige Schulterpartie aus. Lucio entwickelte einen wuchtigen Körperbau und wog etwa 1400 Kilogramm bei einer sehr zufriedenstellenden Schulterhöhe von 160 - 165 Zentimetern. Aufgrund seiner Ur-artigkeit wurde er zu einem unserer verdientesten Zuchtbullen und wurde bis 2008 in der Klostermersch-Süd als Zuchtbulle eingesetzt. Er hinterließ viele Nachkommen, von denen etliche wiederum selbst dem Auerochsen optisch recht gut entsprachen und entsprechen.

Luca
Luca, auch genannt „Schabracke“, wurde am 19. April 2001 geboren. Er war eine Kreuzung aus Heckrind und Chianina und von stattlicher Größe. Er folgte Mator als Zuchtstier in der Hellinghauser Mersch. Nachteilig war seine recht helle Chianina-Färbung, die er allerdings kaum vererbte. Für ein Rind seiner Rassenkombination hatte er untypisch große und gut geformte Hörner. Trotz seiner imposanten Größe war er ein sehr zahmer und umgänglicher Stier. Er zeichnete sich auch durch ein gewisses Maß an Intelligenz aus, denn er bestand den „Umweg-Test“. Während alle anderen Rinder auf der falschen Grabenseite nicht wussten, wie sie über den Graben zum Futter kommen sollten, wählte Luca einen langen Umweg um den Graben und stand so plötzlich – offenbar zum Erstaunen der anderen Rinder – am Futter auf der richtigen Seite des Grabens.Leider musste Luca im Jahr 2010 wegen eines entzündeten Hufs von seinem Leiden erlöst werden, aber so wurde die Nachfolge für seinen Sohn Lamarck frei.

Lamarck
Der am 20. November 2007 geborene Lamarck ist Sohn von Luca und der Sayaguesa-Kuh Doña Urraca und einer der auerochsen-artigsten Bullen unserer Zucht. Seine Größe ist gut, die Hörner entsprechen in Form und Ausmaß ebenfalls dem Vorbild, die Farbe ist authentisch und auch die Proportionen sind wie gewünscht. Lamarck hat sich bereits gut vererbt und wurde als Zuchtstier zunächst in der Hellinghauser Mersch eingesetzt, seit 2014 dann in der Klostermersch-Nord. Viele seiner Nachkommen sind ebenfalls sehr auerochsen-artig.

Doña-Urraca
Doña Urraca, geboren am 15. Februar 1996 und benannt nach einer spanischen Königin des Mittelalters, ist eine unserer verdientesten Kühe überhaupt. Nicht nur, dass sie es war, die das erste Heck x Sayaguesa-Kalb gebar (Lucio), sie hatte über die Jahre zahlreiche urige Nachkommen in der Lippeaue und hat mittlerweile das für Kühe biblische Alter von 21 Jahren erreicht. Ihr Schädel ist lang, sie vererbt eine kräftige Schulterpartie und ihre Hörner, obwohl relativ klein, haben exakt die gewünschte Krümmung, welche sie an viele ihrer Nachkommen weitergab. Viele der Söhne und Töchter von Doña Urraca gehörten und gehören zu den auerochsen-artigsten in der Lippeaue, womit sie einen wichtigen Beitrag zur Zucht geliefert hat. Zu ihren Nachkommen gehören etwa Lucio, Lérida und Lamarck.

Londo
Londo ist einer von Lamarck’s ur-typischsen Söhne, gezeugt mit dessen Vollschwester 84 024 und geboren am 20. Mai 2011. Er ist etwas kleiner und länglicher gebaut als sein Vater, dafür verfügt er jedoch über dicke Hörner und hat wie Lamarck einen kräftigen Körperbau mit authentischer Wildfarbe. Er war von 2015 – 2016 Zuchtstier in der Klostermersch-Süd.

Lerida
Lérida wurde am 17. Februar 2000 geboren und ist eine Vollschwester von Lucio. Sie hat einen gut gebauten Körper und Schädel, die Hörner sind richtig geformt und akzeptabel proportioniert. Ihre Farbe entspricht ebenfalls perfekt dem Bild einer Ur-Kuh. Auch sie hat bislang einige auerochsen-artige Nachkommen hinterlassen.

Ludovica
Ludovica wurde am 14. Mai 2000 als Vollschwester von Luca geboren, und wie er hat sie die kräftigen Hörner des Heck-Vaters Lancelot geerbt. Ihre Fellfarbe ist, aufgrund ihrer Halb-Chianina-Abstammung, ziemlich aufgehellt, dennoch hat auch sie für guten Nachwuchs gesorgt, etwa den sehr großwüchsigen Bullen „Laokoons Bruder“, der aktuell als Deckbulle in der Hellinghauser Mersch eingesetzt ist.

 

 

 

Ladilla
Ladilla war eine Vollschwester von Lérida und Lucio und wurde am 5. März 1999 geboren. Wie ihre Geschwister hatte sie auerochsen-artige Hörner, eine typische Wildfarbe und einen länglichen Schädelbau. Sie verstarb im Jahr 2013 im Alter von 14 Jahren, doch sie hat einige ur-ähnliche Nachkommen hinterlassen.

Larissa
Larissa (II) wurde am 23. Juli 2009 als Tochter von Lombriz und der Chianina-Kuh Laura geboren und ist unsere wahrscheinlich größte Kuh. Es liegen zwar keine Messdaten vor, sie wird jedoch auf ca 1.60 Schulterhöhe geschätzt und übertrifft damit die anderen Kühe deutlich. Obwohl sie zu zwei Dritteln Chianina ist, hat sie durchaus gute Hörner. Bei Rindern ist das Winterfell üblicherweise etwas dunkler als das Sommerfell. Dieser Kontrast ist bei Larissa besonders stark ausgeprägt: Im Winter ist sie fast schwarz gefärbt, im Sommer nahezu weiß. Ihr Nachwuchs lässt auf weitere besonders auerochsen-artige Tiere hoffen.

Lombriz
Lombriz war ein Sohn von Luca und der Sayaguesa-Kuh SinNombre und wurde am 9. März 2005 geboren. Er wurde von 2007 bis 2009 als Zuchtstier in der Klostermersch-Südseite eingesetzt. Lombriz war sehr groß, korrekt gefärbt und hatte große Hörner. Im Verhalten war viel nervöser als etwa sein Halbbruder Lamarck. Er hinterließ einigen Nachwuchs, darunter die Kühe Larissa und Liberta. Vor allem sein Ende als Eisleiche hat ihn in der Presse und im Fernsehen bekannt gemacht. Er versuchte über einen kleinen zugefrorenen Bach zu gehen, brach durch und verkeilte sich so mit seinen Hinterbeinen unter der Eisdecke, dass er in dem Eismatsch starb und am nächsten Morgen von uns als durchgefrorener Eisklumpen gefunden wurde.

Churro
Churro war einer von zwei importierten reinrassigen Sayaguesa-Bullen und wurde 2008 zunächst in Klostermersch-Süd und dann Klostermersch-Nord als Zuchtbulle eingesetzt. Er hatte kräftige, nach innen geschwungene Hörner sowie eine deutlich geschwungene Rückenlinie mit einem schön ausgeprägten Aalstrich. Er sorgte für viel auerochsen-artigen Nachwuchs in beiden Herden. Da er leider jedoch die Tendenz entwickelt hatte, seine Herde zu verlassen und mit Bullen benachbarter Herden Streit anzufangen, mussten wir ihn im Jahr 2014 schlachten.  

Linnet
Linnet, auch genannt „Nacktarsch“, ist ein kräftiger Sohn von Churro, der vor allem durch seine sehr dicken, nach innen gekrümmten Hörner auffällt. Die Hornspannweite beträgt beachtliche  90 Zentimeter. Seine Beine fielen etwas kurz aus, dafür ist er jedoch kräftig gebaut und von guter Abstammung. Sein Spitzname könnte auch als Beschreibung dienen.   

Kuh 42 604
Diese noch namenlose Kuh ist eine der schönsten in der Herde Klostermersch-Süd. Sie ist eine Tochter von Lamarck und der Sayaguesa-Kuh Julia. Besonders auerochsen-artig sind ihre lange, grazile Schnauze und die gut geformten Hörner, zusätzlich zur akkuraten Wildfarbe.    

 

 

 

Laola ist eine Sayaguesa x (Heck x Chianina)-Kuh und aurochsenartig gefärbt. Auch ihre Hörner sind gut geformt.

 

 

 

 

 

Bionade
Bionade ist eine Kreuzungskuh aus Sayaguesa und Chianina. Sie ist, da sie mit der Flasche aufgezogen wurde, die einzige wirklich zahme Kuh in der Herde auf dem Kleiberg. Da sie halb Chianina ist, ist ihre Fellfarbe aufgehellt, dafür ist sie langbeinig und groß – ihre Schulterhöhe beträgt etwa 155 Zentimeter.

Lambada
Lambada ist zu drei Vierteln Heckrind, wurde am 21. Februar 2002 geboren und stammt von der Sayaguesa-Kuh Doña Urraca ab. Dies zeigt sich in ihren akkurat ur-artig nach innen gekrümmten Hörnern.

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